Wald ist unsere Landschaft.
Es gibt hier keinen ”Waldrand”, sondern vielmehr einen Ortsrand – und ganz gleich in welche Himmelsrichtung man diesen überquert, dahinter ist überall Wald. Ein Ozean aus Bäumen. Hier geht man nicht in den Wald hinein, sondern in den Wald hinaus.
Die Baumwipfel sind der Horizont, ringsum, überall – und selbst wenn man auf einen hohen Turm steigt, ändert sich daran nichts. Menschliche Siedlungen verstecken sich zwischen den Bäumen – meist sind es einzelstehende Häuser, Gehöfte oder kleinere Waldsiedlungen, und nur selten dichtere, zusammenhängende Bebauung in Form von Dörfern.
Der größte Teil des Waldes ist bewirtschaftet, viele Bäume also jünger als hundert Jahre. Die typischen Wirtschaftsbäume sind Fichten und Birken.
Daneben gibt es aber auch viele Kiefern, die langsamer wachsen aber auch wiederstandsfähiger sind – sowie einige Lärchen und viele dicke Eichen. Letztere unterscheiden unseren Wald von der Taiga, in die er wenige hundert Kilometer weiter nördlich nahtlos übergeht.
Wie auf dem Ozean, so ist es auch im Wald leicht die Orientierung zu verlieren. Bewegt man sich abseits der wenigen Straßen, muss man, sofern man kein GPS Navigationsgerät mit sich führt, mittels Himmelsrichtung und Landmarken navigieren – beispielsweise anhand auffälliger Bäume oder Steine.
Meinem Hündchen Masha scheint diese Orientierung im Gelände angeboren zu sein – auch nach mehreren Kilometern kreuz und quer abseits aller Wege befolgt sie das Kommando ”nach Hause” prompt und zielsicher, ohne Richtungshinweis meinerseits.
Natürlich weiss sie dass ”zuhause” ein paar Stücke gekochte Hühnerbrust auf sie warten, also tut sie den Job auch gleich mit einer gewissen Begeisterung – im Sprint durch dichtes Unterholz, über Stock und Stein, durch Wasserlöcher und Gräben, mich klobigen und weit weniger trittsicheren Zweibeiner an der langen Leine immer hinter sich herschleifend.
Und tatsächlich erreichen wir nach einer Viertelstunde den Ortsrand – nicht ganz den Weg den wir gekommen waren, aber nah genug, an einer uns wohlbekannten und vertrauten Stelle. Na ja, an der Teamarbeit müssen wir noch ein bisschen feilen…aber ihr Orientierungssinn ist großartig.
Das ”nach Hause” Kommando entstand übrigens nicht durch gezieltes Training, sondern zufällig – ich habe am Ende unserer Spaziergänge immer betont dass es ”nach Hause” geht, und mich dann bei der Ankunft zuhause jedesmal mit einer kleinen Leckerei für ihre Begleitung bedankt. Erst später fiel mir auf dass sie ohne Zögern und Zwischenstops zügig und direkt nach Hause lief, wann immer ich diese Worte zu ihr sagte.
Ansonsten verwende ich ausschliesslich Handzeichen um anzuzeigen wo ich hingehen möchte – die sie mit erstaunlicher Genauigkeit befolgt. Ich muss also aufpassen wo genau ich hinzeige, denn sie geht dorthin wo ich zeige, nicht dorthin wo ich gehe. Aber bei ”nach Hause” brauche ich inzwischen kein Richtungszeichen mehr zu geben, selbst wenn wir einige Kilometer entfernt sind.