Wir haben in unserem Garten einen grossen Süsskirschenbaum.
Er ist etwa acht Meter hoch und hat gute zwölf Meter Kronendurchmesser – mit vier dicken Hauptästen an einem nur etwa eineinhalb Meter langen Stamm.
Jedes Jahr Anfang Mai verwandelt sich der Baum in einen riesigen, summenden weissen Lampignon, der den ganzen Garten mit einem betörenden Mandelduft erfüllt. In den meisten Jahren ist der Zauber nach zwei Wochen vorbei, und die allermeisten der Abertausenden von Blüten verschwinden spurlos – und dennoch werden es am Ende immer mehr Kirschen als wir essen können.
Dabei handelt es sich um eine helle Sorte unglaublich saftiger und süsser, allerdings nicht sehr aromatischer Kirschen, die sich nicht wirklich konservieren lassen.
Einmal gepflückt kann man sie maximal zwei Tage aufbewahren, Einfrieren oder Einwecken verwandeln sie nur in ein relativ geschmacksneutrales Zuckerwasser, und zum Kuchenbacken sind sie auch ungeeignet. Für Marmelade muss man sie kombinieren (z.B. mit Stachelbeeren oder Grapefruit), aber dann liefern sie kaum mehr als ihre Süsse während der Kombinationsparter den Geschmack völlig dominiert.
Einzige beinahe brauchbare Variante ist sie süss-sauer einzulegen – aber wer braucht schon grosse Mengen süss-sauer eingelegte Süsskirschen?
Nun ja – in diesem Jahr jedenfalls verschwanden die Blüten nicht spurlos. Mindestens ein Drittel aller Blüten wurden Kirschen, in Gruppen zu zwanzig, dreissig Stück an jedem noch so kleinen Zweig.
Egal wie viele wir abpflücken, es werden einfach nicht weniger. Man pflückt und pflückt und pflückt, bis der Korb voll ist, dann tritt man einen Schritt zurück – und nichts hat sich geändert. Der Baum hängt genauso voll wie zuvor. Die Äste hängen bis auf den Boden herab unter dem Gewicht – glücklicherweise sind sie aber bei dieser Sorte sehr stark und elastisch und halten das problemlos aus.
Nun ja, die meisten der Kirschen werden wir den Möwen überlassen, die übrigens unglaublich geschickte Kirschenpflücker sind. Einen Teil werden wir noch verschenken, und ansonsten bei jedem Vorbeigehen naschen bis uns die Bäuche wehtun.
Ein flüchtiger Zauber – aber ein mächtiger solcher 🙂
Mittlerweile ist es auch Zeit sich dem Beerengarten zuzuwenden. Diese kleinen Freunde sind zwar nicht so gross – obgleich mindestens ebenso viele – dafür aber um Grössenordnungen aromatischer, und vor allem haltbarer als die Kollegen am Baum:
Schwarz ist natürlich mein Favorit, aber solo macht das nur halb so viel her wie gemischt.
Leider geht weder Duft noch Geschmack über’s Internet – also müsst ihr euch den Teil zur Geschichte dazudenken: Sommerabend auf der Terrasse, gemischtes Eis, eine Handvoll frische Johannisbeeren, und darüber eine Sosse aus schwarzen Johannisbeeren und Felsenbirne mit einem kleinen Schuss Rum. Minzeblatt freilich, aus dem Kräutergarten.