Der kleine bunte Handfeger von Katze hat inzwischen den Namen ”Nicky” bekommen.
Seit sie vor anderthalb Wochen bei uns einzog, versucht Masha sich mit Nicky anzufreunden – aber dem gegenseitigen Verständnis steht einiges im Wege, und das beginnt mit den völlig entgegengesetzen Bewegungsfreiheiten.
Zum einen ist ein Hund ein bodengebundenes Wesen – das Beste was Masha entlang der Vertikalen aufzubieten hat sind Sprünge. Damit kann sie durchaus Hindernisse wie niedrige Hecken, Gartenzäune oder andere Hunde überwinden, vorausgesetzt sie hat ausreichend Platz davor und dahinter.
Nicky dagegen springt nicht nur ein Vielfaches ihrer eigenen Körperlänge senkrecht nach oben, sondern bleibt dann auch oft oben, und setzt mitunter die Vertikalbewegung sogar noch kletternd fort – selbst an nackten Wänden, sehr zu Masha’s Erstaunen.
Zum anderen ist Masha zwar recht wendig für ihre Größe, braucht dafür aber generell alle vier Pfoten auf dem Boden und, entsprechend der Masseträgheit, einen gewissen Planungs- und Bremsweg.
Nicky dagegen ist Bremsen völlig fremd. Sie hat kein Problem damit mitten im Sprung die Richtung zu ändern – und zwar in allen drei Achsen, so dass sie dann auf dem Rücken gleitend, mit allen Vieren in der Luft unter der Couch verschwinden kann.
Aus dem Stand seitwärts oder rückwärts rollen, vorwärts davonsprinten, mit einer Kralle am Türrahmen scharf nach links um die Ecke schlittern, und dann vor Masha’s Nase aus voller Fahrt auf dem Fleck wenden und unter dem großen Hund durchtunneln – und das alles in einem so atemberaubendem Tempo, dass Masha in der Kurve das Gleichgewicht verliert, den Teppich zusammenschiebt und mit der Nase an der Treppe anschlägt.
Ein anderer gravierender Unterschied sind die Sinne der beiden.
Masha ist, wie die meisten Hunde, ausgesprochen kurzsichtig und obendrein farbenblind. Da Nicky’s Fell ein total chaotisches Flecken- und Streifenmuster hat, wird sie auf dem Teppich, auf einem bunten Kissen oder im Herbstlaub für Masha völlig unsichtbar. Obendrein bewegt sie sich meistens völlig lautlos, und obwohl Masha eigentlich sehr gut hört, kann sie die Katze so nicht lokalisieren, selbst wenn sie direkt vor ihr läuft.
Nicky dagegen hört noch sehr viel besser als Masha, und weiß immer genau wo letztere sich gerade befindet, selbst wenn Hundchen in einem ganz anderen Teil des Hauses irgendwo still herumliegt. Wenn Masha sich in ihrer Nähe befindet, kann Nicky ihre Position und Bewegung ohne Sichtkontakt präzise genug abschätzen um sie hinterrücks anzuspringen.
Allerdings gibt es auch einen bemerkenswerten Vorteil auf Masha’s Seite: Intelligenz.
Wenn Nicky hinter oder unter einem Hindernis verschwindet, geht Masha um das Hindernis herum und sucht dahinter und/oder darunter – und wenn möglich und erforderlich, räumt sie das Hindernis auch einfach mal aus dem Weg, beispielsweise ein Kissen hinter dem das Kätzchen verschwand.
Außerdem hatte sie wohl ein paar Mal beobachtet wie ich das Katzenkind mit einem Schnürsenkel aus einer Ecke herauslockte – und als Nicky mal wieder unter der Couch verschwunden war, trabte Masha in den Flur, holte sich den Schnürsenkel, ging damit zur Couch und wedelte ein wenig damit herum…und prompt kam eine kleine krallenbewehrte Pfote zum Vorschein um sich das Spielzeug zu greifen.
Und natürlich gibt es einen enormen Klassenunterschied zwischen den beiden im Hinblick auf rohe Kraft und Ausdauer.
Das Kätzchen ist zwar blitzschnell und wendig, schafft es aber nicht einen Gummistiefel zur Seite zu drücken um an ein Stück Schnur heranzukommen dass dahinter gerutscht ist – da kommt der muskelbepackte Labrador zur Hilfe und rückt gleich das ganze Schuhregal zur Seite, einschließlich Kätzchen.
Und während Nicky nach ein paar Sprints müde ist und seelig in einem Blumentopf einschläft, will Masha erst einmal ein paar Kilometer durch den Wald rennen.
Allerdings, und das muss auch erwähnt werden, ist Masha ausgesprochen geduldig, rücksichtsvoll und sogar fürsorglich mit Nicky. Sie versucht sie sauber zu lecken soweit die nadelspitzen Krallen das zulassen, Futter wird geteilt, und wenn Kätzchen schläft, wird es in Ruhe gelassen.
Masha gibt sich auch viel Mühe die Kleine nicht zu verscheuchen oder versehentlich zu verletzen, macht sich klein und versucht auf alle Weisen freundlich und harmlos zu wirken. Dabei scheint sie sich zu merken worauf die Katze wie reagiert, und ihr Verhalten entsprechend zu modulieren: auf ihr erstes Wuff! bekam sie noch ein böses Fauchen mit angelegten Ohren, dann versuchte sie es erst leiser und in höherer Tonlage was ein wenig besser klappte, und inzwischen ist es nur noch ein gehauchtes Wuhuff? was Nicky toleriert.
Nicht einfach mit der Verständigung für Hund und Katz – aber wo ein Wille ist…und der ist ganz offensichtlich da, sehr zu unserer Freude.