Ein Novembermittwoch hat so was wie einen Tagesanbruch, aber von Sonnenaufgang kann um diese Jahreszeit keine Rede sein. Es ist kalt und windig, und vom Himmel fällt eine Mischung aus Regen, Schnee und nassem Laub.
Die sonst überwiegend grüne Landschaft ist nun hauptsächlich grau, die sonst trittfesten Waldwege sind zu kaum passierbaren Schlammpfaden geworden – durchsetzt von ausgedehnten, tiefen Pfützen die sich hier und da an den Fluss angeschlossen haben.
Für unsere Vormittagsrunde sind deshalb im Moment eine wasserdichte Jacke, ein australischer Lederhut und ein paar kniehohe Neoprenstiefel meine Standardkleidung – so kann ich mit Masha’s Fell einigermaßen mithalten. Das Hundchen stört sich nicht am Wetter – sondern nur an Langeweile, also im Haus bleiben geht nicht.
Wir maschieren heute etwas weiter flussabwärts, ein paar hundert Meter östlich des Sees, wo der Fluss in eine fast kreisrunde, etwa hundert Meter breite Erweiterung einmündet, bevor er wieder schmal wird und dann scharf nach Süden abknickt.
Aus der Luft betrachtet, sieht dieser Flussabschnitt aus wie eine überdimensionale Armbanduhr – und wird deshalb auch so genannt.
Das Westende des ”Uhrengehäuses” (links im Bild) liegt ein paar Meter tiefer als der See – und entsprechend stark ist die Strömung dort in den Stromschnellen. Folgerichtig befand sich dort einst ein Wasserkraftwerk dass den Ort und seine Industrie mit Strom versorgte.
Die Stromschnellen am Ausfluss des Sees – bzw. die Brücke die darüber führt – markiert die Grenze zwischen den Gemarkungen Kråksmåla (nördlich) und Bäckebo (südlich).
Diese beiden Orte bzw. deren Kirchen sind jeweils ziemlich genau zehn Kilometer entfernt. In der Mitte zwischen den Orten gab es einst ein Landgut – hier wurden Handel und Handwerk betrieben und gemeinsame Feste gefeiert. Später kam Industrie dazu samt Wohnsiedlungen für die Arbeiter, feste Geschäfte, eine Schule, sogar eine Eisenbahnlinie mit Bahnhof.
Eisenbahn, Industrie und Kraftwerk gibt es hier aber schon lange nicht mehr, nur noch ein paar leere Gebäude – Reste einer Glashütte, einer Möbelfabrik, einer Färberei und zahlreicher kleiner Handwerksbetriebe die den Ort einmal begründet hatten. Die Wohnhäuser der Arbeiter blieben aber bis heute bewohnt, und auch die Schule hat sich erhalten.
Am späteren Nachmittag – wie immer mittwochs – machen wir dann einen Ausflug in die Reitschule – und Masha kommt mit. Hier gibt es immer viele Leute von denen man sich den Bauch kraulen lassen kann, und jede Menge zu inspizieren und zu beschnüffeln.
Pferde findet sie natürlich auch interessant – obwohl die Ausbildungs-Ponys eher etwas langweilig sind. Die meisten dieser Ponys haben schon viele Dienstjahre hinter sich, sind entsprechend erfahren und lassen sich vom Kindertrubel nicht aus der Ruhe bringen.
Susie, unser heutiges Trainingspony, ist noch etwas jünger, und studiert nach der Pflegerunde aufmerksam den kleinen schlappohrigen braunen Vierbeiner der da neugierig zu ihr heraufschaut.
Masha beobachtet gebannt wie Susie gemächlich eine Handvoll Heu mampft und probiert ebenfalls einen Halm zu knabbern – wendet sich dann aber lieber den verführerisch duftenden Pferdeäpfeln zu.
Diese Begeisterung der Hunde für die Ausscheidungen anderer Tiere ist gewöhnungsbedürftig – denn sie schnüffeln ja nicht nur daran, sondern fressen sie auch wenn man sie nicht daran hindert.
Pferdeäpfel – mit ihren vielen Fasern und keimtötenden Inhaltsstoffen – können dabei für den Hund durchaus nützlich und sogar gesund sein. Das Fressen derselben ist also evolutionäre Überlebensstrategie, und nicht Verfressenheit.
Aber leider gilt das eben nicht für jeden Pferdeapfel. Hat das Pferd beispielsweise Würmer oder andere Darmkrankheiten, oder wurde es kürzlich mit Medikamenten behandelt, dann kann es dem Hund unter Umständen schlecht ergehen. Vorsicht ist also geboten.