Neben dem Beerengarten wächst dieser Strauch. Er steht schon dort solange wir hier wohnen, allerdings war er anfangs sehr viel kleiner.
Zuerst bestand er aus vielen, sehr dicht stehenden dünnen Trieben, etwa halb so hoch wie im Bild, die im Sommer ein dichtes, dunkelgrünes Laub trugen.
Wir beachteten ihn kaum. Er war dekorativ, und gab dem dahinterliegenden Parkplatz Schatten, also liessen wir ihn wachsen.
Und genau das tat er auch, und zwar kräftig – inzwischen hat er eine Höhe von fast fünf Metern.
Die Blätter ähnelten denen des Birnbaums am anderen Ende des Beerengartens, waren aber kleiner, dunkler und irgendwie dicker und fester. Außerdem hat das Gewächs lange, harte Dornen die einem den Pullover auftrennen, tiefe Risswunden verursachen und ohne Weiteres ein Auge kosten können.
Vor drei Jahren habe ich ihn dann ein wenig ausgelichtet, da er von innen her etwas kahl wurde – ein Zeichen von Lichtmangel. Im Jahr darauf blühte er dann plötzlich, ganz so wie Obstbäume auf mehr Kronenlicht reagieren, und in der Tat sahen die Blüten denen des Birnbaums zum Verwechseln ähnlich. Aber Früchte wurden keine daraus.
Voriges Jahr blühte er dann nicht einfach nur, sondern erstrahlte komplett in Weiß – über und über voll mit Blüten. Und Bienen. Und dieses Mal wurden daraus Früchte, und zwar – tatsächlich – Birnen! Kleine, steinharte, nahezu kugelrunde Früchte, etwa in der Größenordnung von Cocktailtomaten, völlig ungenießbar. Oder…dachte ich jedenfalls.
Im Herbst dann wurden die kleinen Birnchen aber plötzlich – beinahe über Nacht – honiggelb, weich, süss und saftig…und fielen binnen weniger Tage alle ab. Ich hab viele davon eingesammelt und zu Saft verarbeitet, und auch wenn das eine ziemliche Fummelei war – es hat sich gelohnt.
Eine Wildbirne also? Aber die gibt’s in diesen Breiten doch gar nicht!
Beim genaueren Hinsehen findet sich in der Mitte zwischen den Stämmen ein Baumstumpf. Der war anfangs gar nicht zu sehen, so dicht standen die Triebe. Vermutlich stand hier mal ein Birnbaum – also eine Kultursorte, die auf eine Wildbirnen-Wurzel gepropft wurde um ihr besseren Zugang zu Wasser und Nährstoffen, sowie mehr Widerstandsfähigkeit zu verleihen.
Der Edelobstbaum starb irgendwann ab – aber nicht so die ”geliehene” Wurzel, sondern die trieb einfach wieder neu aus, aber eben ihre ursprüngliche, wilde Form.
Eine wild gewordene Birne also.
Das bringt mich nun auf die Idee, die Sache mit dem Veredeln vielleicht einfach noch einmal zu wiederholen – also einen Trieb des Edelobstes auf die wilde Wurzel zu propfen. Hab ich noch nie gemacht, aber was soll’s – ein bisschen Experimentieren und Lernen schaden nie.