Mancher wird an dieser Stelle fragen: wie zum Teufel kommt man denn auf die Idee, eigenen Senf im Garten anzubauen? Nun, zugegeben, die Antwort ist nicht ganz so geradeaus wie sonst bei mir üblich.
Einerseits ist Senf zwar eine Notwendigkeit in unserer Küche, aber dann wiederum findet man im Handel eine reichliche Auswahl von durchaus guter Qualität zu günstigen Preisen. Ein Qualitäts- oder Kostenvorteil ergibt sich also nicht.
Andererseits ist Senf eine unkomplizierte und sehr produktive Kohlpflanze, die im Laufe der Saison viel mehr bietet als die für die beliebte Würzpaste benötigten Samen.
Die jungen Blätter sind essbar und machen sich gut in frühen Salaten. Eine beständige Wolke aus tausenden kleinen, gelben Blüten übertrifft hinsichtlich Blickfang und Dekorationswert viele andere Stauden und Büsche im Garten, vor allem aber ist sie wertvolle und leicht zugängliche Nahrung für Insekten aller Art, vor allem Bienen. Und selbst die Samenkapseln sind sehr dekorativ, vor allem wenn sie beginnen zu reifen und samt Stengeln allmählich trocken, hart und goldgelb werden.
Die für unseren Verbrauch erforderliche Anbaumenge hat nur minimalen Platzbedarf (weniger als einen Quadratmeter), und Senf stellt im Allgemeinen keine besonderen Ansprüche hinsichtlich Standort oder Bodenqualität.
Der Senf ist erntereif, wenn die Stengel mit den Früchten komplett trocken sind, und die Kapseln anfangen bei Bewegungen zu ”rasseln”. Geerntet wird der ganze Stengel, und zwar vorsichtig, denn die Kapseln haben die Neigung bei unsanfter Berührung leicht aufzubrechen.
Diese Empfindlichkeit macht man sich zunutze, um später die Samen aus den Kapseln zu lösen – über einem großen Auffanggefäß (z.B. Schüssel) greift man einfach alle Kapseln auf einmal und drückt sie gegen den Stengel. Dabei platzen die kleinen Deckel auf beiden Seiten weg und geben die Samenkörner frei.
Damit das nicht schon im Garten passiert, muss man die reifen Stengel vorsichtig hantieren, und am besten direkt in einen großen, dichten Sammelbehälter legen, idealerweise mit hohen Wänden (z.B. Eimer, Tonne). Körbe sind absolut ungeeignet.
Man kann die Samenkapseln auch einzeln zwischen zwei Fingern aufbrechen. Dazu genügt eine leichte Biege- oder Drehbewegung an dem platten, schwert-förmigen Ende der Kapsel.
Ich will aber nicht verschweigen, dass die Samenkapseln kleine Stacheln mit Widerhaken haben, die sich in der Haut festsetzen und fürchterlich piksen und kratzen – also Handschuhe sind hierzu wirklich zu empfehlen, und ich habe sie hier auch nur ausgezogen weil ich die Kamera nicht mit Handschuhen bedienen kann.
Die weiteren Schritte sind denkbar einfach.
Zunächst werden die Samenkörner herausgesiebt – ich verwende dazu einen Durchschlag, aber ein grobes Sieb wäre fast besser:
Zwischen den Samen finden sich noch immer feine Reste der Samenkapseln, sowie natürlich die eine oder andere kleine Spinne und ähnliches. Diese lassen sich leicht herauswaschen, denn sie Samen sinken im Wasser zum Boden, und der Rest schwimmt oben auf:
Nach dem Abgießen des Kleinzeugs und nochmaligem Sauberspülen über einem feinen Sieb sind die Samen bereit zum Verarbeiten:
So nass wie sie sind, lassen sie sich aber nicht gut malen – sie würden nur das Malwerk verkleben. Also trockne ich sie erst mal, und zwar einfach an der Luft.
Achtung: auch wenn ich sie hier in eine Auflaufform ausgebreitet habe – die Samen dürfen nicht erwärmt werden, sonst wird der Senf bitter! Im Gegenteil: wer die Möglichkeit hat, kann sie für ein, zwei Stunden in den Gefrierschrank stellen – das erleichtert das Malen, und bewahrt das Aroma.
Sobald die Samen trocken sind, werden sie dann mehr oder weniger fein gemalen, und das Pulver mit den übrigen Zutaten verrührt: Essig, Zucker bzw. Honig, Salz, Weißwein wenn man mag oder andernfalls Wasser, ein Schuß Öl, Gewürze. Rezepte gibt es haufenweise, aber nach eigenem Geschmack ist auch nicht verkehrt.
In diesem Jahr mache ich einen ganz simplen ”scharfen” Senf, wobei ich noch einen Esslöffel schwarze Senfkörner (auch die aus dem Garten) zugefügt habe.
Der scharfe Senfgeschmack entsteht bei einer chemischen Reaktion nach dem Zermalen der Senfkörner – und braucht ein bisschen Zeit. Man kann und sollte sich beim Anrühren und Abschmecken also Zeit lassen, die Masse immer mal wieder ”ruhen” lassen und dann erneut durchrühren.
Bei mir dauert das bis zum nächsten Tag, und erst dann wird der Senf in Gläser abgefüllt. Danach darf er noch zwei bis drei Wochen durchziehen bevor er zur Anwendung kommt.
Senf hat in sich starke antimikrobielle Eigenschaften, verdirbt also in der Regel nicht, und schützt auch die anderen Zutaten (deshalb verwendet man Senf beim Einlegen von anderem Gemüse). Man braucht ihn daher nicht weiter zu konservieren – und die Neigung, ihn im Kühlschrank aufzubewahren ist eher eine Frage der ”Greifbarkeit” als der Konservierung.
Der Gartensenf ist also insgesamt nicht schlechter oder besser als der im Handel erhältliche – aber als Pflanze ist er eine echte Bereicherung für den Garten, und das Experimentieren mit verschiedenen Rezepturen kann auch recht unterhaltsam sein.