Inzwischen sind die Katzenkinder acht Wochen alt – der Raubtierkindergarten hat damit ein Stadium erreicht, wo er quantenphysikalischen Prinzipien unterliegt.
Man kann den momentanen Aufenthaltsort der Katzenkinder lediglich als Verteilungsfunktion angeben, sie können massive Wände durchtunneln, sich auf beiden Seiten einer Tür gleichzeitig aufhalten, in einem Schuh verschwinden und in einem anderen wieder auftauchen, und gemäß der Heisenbergschen Unschärferelation ist es unmöglich gleichzeitig festzustellen wo genau sie gerade sind – und welche Art Unfug sie gerade treiben.
Was Schrödinger lediglich als Gedankenexperiment formulierte, lässt sich problemlos praktisch beobachten: der Blumentopf befindet sich also sowohl heil auf der Fensterbank, als auch in tausend Scherben auf dem Boden – bis man erschrocken hinrennt, und inmitten der Sauerei eine kleine Katze entdeckt die krampfhaft versucht in der verstreuten Blumenerde ihre frischen Exkremente zu vergraben.
Gleichzeitig begreift man mit Entsetzen dass dieselbe Zustandsüberlagerung ja auch für das in der Panik unbeaufsichtigt zurückgelassene Butterbrot in der Küche gilt.
Zum Glück ist die Katzenmama (Nicky also) ja eine Katze – und kann sich somit die in wilden Brownschen Bahnen durch’s Haus zischenden Minitiger mit blitzartigen Sprüngen immer mal aus der Luft fischen. Anschließend setzt sie ihr ganzes Körpergewicht ein um die zappelnden, mit ausgefahrenden Krallen fuchtelnden und um sich beißenden Knirpse an den Boden zu pinnen und zumindest halbwegs sauberzulecken.
Mittlerweile haben wir auch die Geschlechter bestimmt – es sind drei Kater und ein Kätzchen – und ihnen Namen gegeben. Der helle graurote Kater heißt Stanley, der fuchsrote Findus, der mit dem blaugrauen Frack heißt Tom, und ihre schwarz-bunte Schwester heißt Crypto.
Masha hat den Tigerzoo als Spaßquelle und Herausforderung entdeckt, und bemüht sich als Kindergärtnerin. Sie springt mit den Kleinen im Garten herum, lässt sich fangen, als Trampolin gebrauchen und den Schwanz zerkauen, macht ihnen die Nasen sauber, und lässt sie ankuscheln und bei sich schlafen, während Nicky draußen auf Jagd ist, oder in der anderen Zimmerecke döst.
Generell ist Masha sehr behutsam, aber beim Spielen ist sie Tom schon mal auf die Hinterpfote getreten – woraufhin dieser entsetzlich losgequiekte. Masha erschrak, war sofort sehr besorgt, leckte die kleine Katzenpfote, versuchte ihn wieder auf die Beine zu stellen, und als das nicht richtig klappte, suchte sie Hilfe bei mir. Allerdings hatte auch Nicky das Geschrei gehört, und hatte das Problem bereits mama-magisch dadurch gelöst dass sie ihm dreimal über den Kopf leckte, dann konnte er wieder umherspringen als wäre nichts passiert.
Noch gut einen Monat werden die Katzenkinder bei uns sein – dann ziehen sie aus, hinaus in die Welt und in ihre neuen Zuhause. Nicky wird froh sein, aber für uns wird’s wohl kein leichter Abschied…