Lieber René,
die ersten Wochen nach deinem Tod waren unerträglich schwer und schmerzhaft. Ein Vater der seinen Sohn verloren hat – ist ein Leben in das ich mich nicht richtig hineinfinden kann.
Die Kirche in Kråksmåla hat uns freundlicherweise angeboten, die Trauerfeier für dich auszurichten – und dieses Angebot haben wir dankend angenommen. Irgendwie war es der logischste Ort – eine vertraute Umgebung wo du schon so oft zum Schulabschluss gesessen hast, und auch weitgehend dieselbe Runde von Leuten: deine Klasse, deine Lehrer, Nachbarn und Freunde. Auch alle deiner vier Geschwister sind gekommen.
Ich fand es nahezu unmöglich zu entscheiden wie wir die Feier gestalten sollten, denn eigentlich sollte sie in meiner Lebenszeit ja überhaupt nicht stattfinden. Mit viel Hilfe, vor allem auch von Seiten der Kirche, wurde es aber eine sehr schöne und würdige Feier – jedenfalls im Rückblick.
Und dort – bei der Kirche – wird nun auch dein Grab sein.
Wir haben dann beschlossen unsere geplante Reise zum Skifahren in den Bergen trotz allem anzutreten – so verloren wir uns auch fühlten, suchten wir einen Moment der Ablenkung und des Luftholens, um uns zu sammeln und unsere Gedanken zu ordnen.
Ablenkung wurde es auf jeden Fall – schon wegen des verrückten Wetters. Die Temperaturen wechselten stark, aber insgesamt war es zu warm.
Abseits der Skipisten, die natürlich mit Kunstschnee präpariert waren, war der Schnee immer wieder angeschmolzen, von ständigen Regenschauern geglättet und dann wieder angefroren, so dass die Wege mit einer zentimeterdicken Eisschicht bedeckt waren.
Um mit Masha überhaupt gehen zu können, musste ich mir Spikes unter die Stiefel schnallen. Masha hat ja von Natur aus rutschfeste Sohlen und eingebaute Spikes – sowie Vierradbeinantrieb – kam also gut voran, aber für mich Zweibeiner mit hohem Schwerpunkt waren die Wanderungen auf spiegelglatten geneigten Ebenen schon eine ziemliche Herausforderung.
Gelegentlich musste Masha mir mittels Leine Hilfestellung geben, insofern war es gut einen großen und starken Hund dabei zu haben – und überhaupt bildeten wir ein gutes Team, dank ihrer konstanten Aufmerksamkeit, Kommunikationsvermögen und unbedingten Willen zur Zusammenarbeit. Aber das war ja dann auch der Zweck dieser Übung – Teamwork.
Deine Schwester hat das Skifahren natürlich superschnell gelernt, vielleicht auch mangels alternativer Beschäftigungen. Dazu gehörten natürlich auch – erwartungsgemäß – einige Stunden in der Notaufnahme zum Handgelenk-Röntgen. Aber es war nur verstaucht, alle Knochen sind heil geblieben – was sie allerdings bedauerte, denn so ein Knochenbruch und Gipsverband wäre eine echte Geschichte in der Schule gewesen.
Auf der Heimreise gerieten wir in heftigen Sturm, so dass sich das Auto kaum auf der Straße halten ließ. Bei einer Rast am Vänern war der Wind so stark dass man sich dagegen lehnen konnte, und die Wellen meterhoch. Kein Wort konnte man hören – gut dass Masha auch Handzeichen versteht.
Wieder zuhause, bereiten wir nun die Gartensaison vor. Außer einigen Nachtfrösten gibt es keinerlei Anzeichen von Winter mehr – und richtig Winter war es dieses Jahr ja überhaupt nicht.
Nach der Dürre haben wir nun Überschwemmungen – der See hat einen sehr hohen Wasserstand und an einigen Stellen hat er sich weit über seine übliche Uferlinie hinaus ausgebreitet, und teilweise sind auch die Waldwege überflutet.
Außerdem mussten im Wald viele Fichten gefällt werden, wegen Borkenkäfer-Befall, so dass entlang der Bingo-Runde – vor allem auf der linken Seite des Weges – einige Stellen jetzt völlig kahl sind. Du würdest den Weg kaum wiedererkennen.
Aber dazu dann nächstes Mal.